AUSFÜHRLICHER EINBLICK IN UNSERE ARBEIT
Wir möchten Euch einen ausführlicheren und besonderen Einblick in unsere Projekte ermöglichen. So könnt Ihr mehr erfahren über unsere Arbeit, unser Tun und unsere Ziele sowie unsere Vereinsarbeit. Wie entstand der Verein TREES of MEMORY, was hat sich seit der Gründung getan? Wie empfinden unsere Mitglieder ihr Tun und Wirken, was treibt sie an? Wir lassen sie es Euch erzählen...
TEIL 1: WOMIT ALLES BEGANN...
Die Entstehung des Vereins Text von Iris
Elf Menschen trafen sich im November 2017, um einen Verein zu gründen. Die meisten davon kannten sich untereinander nicht einmal... und waren aus verschiedenen Teilen Deutschlands. Warum sie das taten? Weil jeder zuvor von einem Projekt gehört hatte, welches sie aus den unterschiedlichsten Gründen gut fanden. Das Projekt so wertvoll fanden, dass sie die Durchführung unterstützen und voranbringen wollten. Und jeder fand auf die eine oder andere Art und Weise dazu.
Mario Dieringers Idee, um die Welt zu laufen und dabei Bäume der Erinnerung für Suizidopfer zu pflanzen, hatte mich zum Beispiel deshalb angesprochen, weil es verrückt klang. So ver-rückt, weg vom Normalen, wie mein Leben nach dem Suizid meines Sohnes sich nun anfühlte... und ich auf meinem Weg der Trauer nach etwas über zwei Jahren festzustecken schien. Warum dann also nicht mit diesem Mann Kontakt aufnehmen, ihm sagen, dass ich auch gerne so einen Baum hätte? Da war bei manch anderen bereits der Gedanke erwacht, dass diese Sache Unterstützung bräuchte. Die TREES of MEMORY nicht allein organisiert und finanziert werden könnten von einem Einzelnen. Auch ich bot ihm meine Unterstützung an. Als die Frage aufkam, welche Qualitäten oder welches Wissen ich mitbringen würde, gab es nur diese Antwort: Ich kann organisieren, da ich vor Jahren einmal Zweiter Vorstand eines Sportvereins war und ich keine Probleme für mich darin sehen würde, mit Behörden und Baumschulen zu telefonieren oder Mails zu schreiben... Und prompt wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, in der Vorstandschaft eines Vereins, den man gründen wolle, Schatzmeisterin zu werden. Nach einem Treffen in Marios Wohnung mit einem Berater, unserem seither Ersten Vorstand Gunter und mit Vitus, der ganz zu Anfang unser Zweiter Vorstand werden sollte war klar: Zwei Wochen später würde die Satzung vorbereitet sein und weitere Interessierte dazu eingeladen, um an der Gründungsversammlung den Verein aus der Taufe zu heben. Und so gab es nun zwei Dinge. Mario Dieringer mit seinem Projekt TREES of MEMORY. Und uns, den Verein, gegründet von elf Personen, der sich namentlich am Projekt orientiert und sich zwischenzeitlich ganz unabhängig von diesem stetig weiterentwickelte. An Ideen und Projekten, an der Mitgliederzahl... und auch die Mitglieder an ihren Aufgaben wuchsen.
Wir möchten Euch nun nach und nach etwas näherbringen, wie sich all das aus unserer Sicht darstellt. Ja, am Anfang waren die Bäume der Erinnerung. Die ersten drei Jahre versuchte ich, die Organisation alleine zu stemmen. Doch mit dem Wachsen des Vereins, den neu hinzugekommenen Projekten, wurde das für eine Person allein schlichtweg zuviel. Und so kamen Sonja und Ildi in das Organisationsteam rund um die TREES of MEMORY. Zuerst wird Euch nun Sonja mitnehmen auf ihre Reise, wie sie zu uns fand und was diese ehrenamtliche Arbeit für sie bedeutet.
TEIL 2: DIE BÄUME DER ERINNERUNG
Über die besondere Arbeit mit den TREES of MEMORY - den Bäumen der Erinnerung Text von Sonja
1. Suizid! Die Welt zerbricht – wozu einen Baum pflanzen?
Bäume pflanzen für einen Suizid Verstorbenen? Klingt nach einer schönen Aktion. Aber kann sie wirklich mehr sein als ein trügerisches Symbol, eine Illusion auf Hoffnung? Mario Dieringer, der die Idee für die Baumpflanzungen hatte, will damit ein Zeichen setzen gegen Verdrängung und Tabuisierung gar Stigmatisierung von Suizidangehörigen. Aufzeigen, dass Depressionen noch immer nicht ernst, oder nicht ernst genug genommen werden. Aber ist mir als Hinterbliebene die Bedeutung der Bäume nicht doch komplett egal, denn nichts, aber auch gar nichts wird den Bruder, die Tochter, den Vater, das Liebste zurückbringen? Kann es wirklich sinnvoll sein, einem Baum zuzusehen, wie er wächst und gedeiht? Oder wird er nicht vielmehr zum Mahnmal, dass hier ein tragisches Schicksal quasi gegen die Natur geschehen ist?
Solche und ähnliche Fragen jedenfalls gingen mir durch den Kopf.
Dennoch, oder gerade deswegen, habe ich mich eines Tages entschlossen, die Organisation der Baumpflanzungen zu übernehmen. Mittlerweile organisiere ich seit mehr als zwei Jahren die Pflanzungen. Gemeinsam mit Ildi, die ihren Sohn Felix verloren hat und zuerst auch noch mit Iris im Team.
Da ich inzwischen die Leitung der Baumpflanzungen übernommen habe, möchte ich euch gerne erzählen, wie ich zu den Bäumen kam. Aufzeigen, was alles beachtet werden muss, ehe ein Baum gepflanzt werden darf. Wie unsere interne Abstimmung funktioniert. Kurzum: ich möchte euch einen Einblick in meine überaus bereichernde Aufgabe geben.
Wenn ihr mich bis zum Ende begleitet, werdet ihr mir zustimmen: (wenn ihr es nicht schon ohnehin tut): Ja! es ist mehr als eine wunderbare Idee und weit mehr als ein Symbol. Mehr erfahren
„Gut Ding will Weile haben“ – Mein Baum der Erinnerung Text von Ildi
Heute möchte ich Euch meine Sichtweise und Erfahrungen mit der Baumpflanzung schildern. Aus der Sicht einer verwaisten Mutter, die sich selbst einen Baum für ihr Kind wünschte, als auch aus Sicht einer Baumpflanzorganisatorin.
Die Idee der Pflanzung eines Baumes war nach dem nun etwa 3 ½ Jahre zurückliegenden Suizid meines jüngeren, damals 17-jährigen Sohnes Felix, spontan in mir entstanden. Aber es hatte auch damit zu tun, dass Felix kein klassisches Grab auf einem Friedhof hat.
Bei unserem Einzug in unser neues Haus vor 26 Jahren hatten wir vom Nachbarn eine kleine Palme geschenkt bekommen, die sich inzwischen zu einer Schönheit, einer Augenweide, entwickelt hat. So ein Symbol wollte ich auf für Felix. Und da es keine Blumenkränze zur Trauerfeier gab, wünschte ich mir von seinen Taufpaten ein Zitronenbäumchen, da dieses in unserem kleinen und bereits eingewachsenen Garten noch reinpasste und Felix gerne selbstgemachte Zitronenlimonade trank.
Auch seine Klassenkameraden hatten die Idee, ein Bäumchen an einer Stelle, wo sie sich früher oft trafen, zu pflanzen. Damit Felix weiterhin symbolisch anwesend ist! Dieser Ort war auch nicht weit von unserem Haus entfernt und zudem eine Stelle, an der ich mit meinen kleinen Kindern früher selbst oft war. Ich wurde zu dieser Pflanzung, an der alle seine Klassenkameraden und auch drei seiner Lehrer teilnahmen, eingeladen. Das fand 5 Monate später, am Ende der Schulzeit, statt. Bei dieser Gelegenheit klärte ich seine Mitschüler über die wahre Ursache von Felix Ableben auf. Diese wurde an der Schule nicht genau benannt, sondern geschickt umschrieben, so dass es im Unklaren blieb. Jeder konnte sich dabei seine eigene Version denken. Genau das eröffnet Raum für Gerede, Spekulationen, Mythen, die das Tabu noch weiter verstärken. Das fand ich untragbar!
Es kann irgendwann zu weiterem großem Leid der Betroffenen und der ganzen Familie führen. Auch Klassenkameraden, die Schulfamilie, ist eine Art Familie.
Für die Jungs selbst und auch für mich, war es ein sehr großer Trost, uns Monate später wieder zu treffen und über Felix zu reden. Ich fand, dass sie ein RECHT auf die Wahrheit hatten. Selbstverständlich habe ich die Todesursache, wahrscheinlich unerkannte und deshalb unbehandelte Depression, die zum Suizid geführt hat, nicht einfach nur gesagt, sondern auch eine kleine Aufklärung über die Krankheit Depression und deren mögliche Folgen, vermittelt.
Leider wurde das Bäumchen irgendwann herausgerissen…
Das alles war in etwa zu dem Zeitpunkt, als ich, nach einer für mich bis dahin unvorstellbare Handlung, den Verein TREES of MEMORY e.V. kennenlernte… mehr lesen
TEIL 3: ÜBER DIE ARBEIT DER 1. ANLAUFSTELLEN
Wie die 1. Anlaufstellen entstanden und deren Bedeutung Text von Iris
1. Der Verein beginnt zu wachsen...
Nachdem nun also unser Verein geboren war und die Planung der zu pflanzenden Bäume seinen Weg nahm, die Webseite online gegangen war, stand die erste Baumpflanzung bevor. Kurz danach begann ich zu überlegen. Irgendetwas fehlte noch. Ja, wir hatten die TREES of MEMORY. Wir stellten auf unserer Webseite die verschiedensten Informationen zur Verfügung. Adressen von Kliniken und auch von Vereinen die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Hatten Buchempfehlungen aufgelistet. Aber reichte das? Reichte das für Betroffene, reichte das für mich?
Und ich erinnerte mich zurück. An die Zeit nach dem Tag X, als meine eigene Welt in Trümmern vor mir lag. Ich all die Hoffnungslosigkeit spürte, dem totalen Weltschmerz ausgeliefert war. Es schien, als ob ich ganz allein damit wäre. Aus meinem Umfeld kannte ich nur einen, der jemanden durch Suizid verlor. Wäre dennoch nie auf die Idee gekommen, ihn anzusprechen. Hätte auch nicht die Kraft und den Mut dazu gehabt. Überhaupt fühlte ich mich außerstande, irgendwas zu suchen, was mir helfen könnte, den Tod meines Sohnes zu begreifen. Zu gelähmt, zu sehr neben mir stehend. Ich konnte nicht mehr funktionieren, wie andere dachten. Alles war zu viel. Und ich hatte oftmals keine Ahnung, wie ich den nächsten Tag überstehen sollte. Viele verletzende Dinge passierten um diese Zeit, da ich mich der Welt nicht so mitteilen konnte wie es erforderlich gewesen wäre. Unverstanden, missverstanden, verletzt und alleine mit meinem Schicksal fühlte ich mich, trotz meiner Familie, die ja dasselbe durchmachte wie ich. Von Selbsthilfegruppen wusste ich nichts, und als ich durch meine Tochter von AGUS erfuhr, schien das für mich durch die Uhrzeiten der Gruppenabende nicht passend. Dafür habe ich einfach einen zu frühen Arbeitsbeginn und stehe in den Augen mancher „mitten in der Nacht“ auf. Da half mir zuerst eine Facebookgruppe für verwaiste Eltern, die ich durch Zufall fand, ohne danach gesucht zu haben. Auch die Therapeutensuche kostete Kraft. Allein schon die Telefonnummern herauszusuchen um sie durchtelefonieren zu können strengte mich an.
Zu der Zeit der Vereinsgründung stand ich bereits schon eine Weile in Kontakt mit einem Ehepaar, welches dasselbe Schicksal wie ich erlebt hatte. Kurz nach dem Tod deren Tochter, die ich persönlich auch kannte, nahm ich allen Mut zusammen. Setzte mich hin und schrieb einen Brief an die Familie. Ich kannte weder die Eltern der jungen Frau noch sonst jemand, mit der sie enger in Kontakt stand. Aber ich ahnte, was wohl in ihnen vorgehen würde. Dieses Gefühl, damit ganz allein auf der Welt zu sein, nicht wissen, mit wem man darüber reden kann außer der eigenen Familie, die ja ebenfalls litt. Dieses Gefühl, dass alle Außenstehenden das innere Chaos gar nicht richtig nachvollziehen oder verstehen könnten.
Es dauerte nicht lange, bis ich auf meinen Brief eine Antwort erhielt. Sie waren dankbar darum, sich verstanden zu fühlen. Einen Ansprechpartner zu haben, der ähnliches durchlebt hatte. Und kurz darauf folgte ein persönliches Treffen, seitdem sind wir nun über Jahre immer wieder lose im Austausch miteinander.
2. Eine Idee wird geboren…
Was hatte mir selbst denn gefehlt, gerade kurz nach dem Suizid meines Kindes, was hätte mir damals helfen können? Meine Antwort hatte ich schnell parat. Das, was ich dieser Familie gegeben hatte. Ein Ansprechpartner, der versteht, was ich fühle. Um zu sehen, ob ich damit allein war oder ob es anderen ebenso ging, fragte ich in verschiedenen Foren und direkt bei anderen Betroffenen nach. Die Antwort lautete meistens gleich oder ähnlich: „Ich hätte jemanden gebraucht, mit dem ich reden kann. Jemanden, der mich versteht…“ Und nun begann das große Überlegen. Wie lässt sich sowas umsetzen? Wie könnte das funktionieren? Es beschäftigte mich viele Wochen. Und dann war sie da, die Idee mit den 1. Anlaufstellen… mehr lesen